Etanercept
Etanercept ist ein Medikament aus der Medikamentenklasse der biologischen Medikamente ("Biologika"), speziell aus der Klasse der TNF-alpha-Blocker, das ab 1992 klinisch entwickelt wurde und das seit Ende der 90er Jahre entweder als Monotherapie oder in Kombinationstherapie für die Behandlung rheumatischer Erkrankungen eingesetzt wird.
TNF-alpha ist ein zentrales Zytokin, d.h. ein Botenstoff zwischen verschiedenen immunologisch bedeutsamen Zellen der körpereigenen Immunabwehr, und steuert über andere Zytokine wesentliche lokale und systemische Entzündungsreaktionen. Dabei spielt es eine Schlüsselrolle bei der Auslösung und bei der Ausweitung der rheumatischen Entzündung und bei der entzündlich bedingten Gelenkzerstörung.
Etanercept ist ein sogenannter löslicher TNF-alpha-Rezeptor. Dieser biotechnologisch hergestellte, rekombinante Rezeptor bindet gezielt an TNF-alpha, das von den TNF-alpha-produzierenden Zellen im Körper freigesetzt wird, und verhindert damit, daß TNF-alpha als Botenstoff eine Entzündungsreaktion auslöst.
Es handelt sich um ein dimeres Fusionsprotein, in dem zwei humane TNF-Bindungsdomänen an den Fc-Anteil des menschlichen Immunglobulins (IgG1) angekoppelt sind.
Es bindet das entzündungsverstärkende, pro-inflammatorische TNF-alpha an den Ligandenbindungsstellen. Das Zytokin kann nicht mehr an die Rezeptoren auf der Zelloberfläche binden. Damit unterbleiben das Signal an den Zellkern und der Start der Zytokinkaskade. Die Substanz wirkt dadurch als ein Gegenspieler (Antagonist) von TNF-alpha oder als ein TNF-Blocker („TNF-Inhibitor“) und verhindert auf diese Weise die biologische Wirkung von TNF-alpha. Durch Etanercept wird auf diese Weise zielgerichtet die rheumatische Entzündung und die weitere Gelenkschädigung verhindert.
Etanercept ist der erste und bislang einzige therapeutisch eingesetzte lösliche TNF-alpha-Rezeptor. Die Substanz ist dem natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommenden TNF-Rezeptor nachgebildet und enthält keine tierischen Bestandteile.
Die erste Zulassung erfolgte 1998 in den USA, zunächst für die Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA). Anschließend wurde die Substanz weltweit zur Behandlung dieses Krankheitsbildes eingeführt.
Der für Etanercept geeignete erwachsene RA-Patient leidet an einer mäßigen bis schweren rheumatoiden Arthritis und hat auf mindestens ein krankheitsmodifizierendes Medikament (DMARD, disease modifying antirheumatic drug, langwirksames Antirheumatikum, LWAR, „Basistherapeutikum“) nur unzureichend angesprochen. Bei schweren, prognostisch ungünstigen Verläufen kann die Substanz auch als erstes DMARD eingesetzt werden.
In den nächsten Jahren folgten dann die Zulassungen für die juvenile idiopathische Arthritis (JIA, juvenile rheumatoide Arthritis, JRA, juvenile chronische Arthritis, JCA), die Psoriasisarthritis, ankylosierende Spondylitis (AS, Morbus Bechterew) und die Plaque-Psoriasis.
Die Anwendung erfolgt bei diesen Erkrankungen in vergleichbarer Weise wie bei der rheumatoiden Arthritis, d.h. typischerweise in den Fällen, bei denen vorhergehenden konventionelle Behandlungsmaßnahmen nicht oder nicht ausreichend angesprochen haben, in schweren Fällen ggf. auch als initiale krankheitsmodifizierende Therapie.
Etanercept ist mit seinem hochspezifischen Wirkmechanismus ein langwirksames Antirheumatikum (früher sogenanntes „Basismedikament") und wirkt nicht nur auf die Symptome der rheumatoiden Arthritis, sondern beeinflusst auch langfristig den Verlauf der Krankheit. Es hemmt oder stoppt das im Röntgenbild sichtbare Fortschreiten der Erkrankung (Röntgenprogression oder radiologische Progression). Damit gehört Etanercept in die neue Substanzklasse der krankheitskontrollierenden Medikamente (DCARDs, disease controlling antirheumatic drugs).
Etanercept wird als Lösung subkutan (s.c.) als Injektion unter die Haut verabreicht, bei Erwachsenen zur Therapie einer rheumatoiden Arthritis, einer Psoriasisarthritis oder einer ankylosierenden Spondylitis in einer Dosierung von zweimal wöchentlich 25 mg oder einmal wöchentlich 50 mg. Bei der Psoriasis erfolgt die Therapieeinleitung ggf. in höheren Dosierungen (zweimal wöchentlich 50 mg). Bei der Behandlung der juvenilen idiopathischen Arthritis richtet sich die Dosierung nach dem Körpergewicht.
Ursprünglich stand die Substanz als Trockenpulver mit 25 mg Wirkstoff zur Verfügung, später zusätzlich mit 50 mg. Seit November 2006 ist Etanercept als Enbrel in Deutschland auch als vorgefüllte Fertigspritze in beiden Dosierungen erhältlich. Außerdem gibt es für die kinderrheumatologische Verwendung eine 25 mg enthaltende 4 ml-Klarglas-Durchstechflasche mit Kunststoff-Klappverschluß, die eine für die Therapie von Kindern und Jugendlichen angepasste Dosierung ermöglicht und zugleich eine Mehrfachverwendung zulässt.
Etanercept wirkt relativ schnell, manchmal bereits innerhalb von Stunden, meistens innerhalb von Tagen. In der Regel kommt es spätestens nach 1-2 Wochen zu einer deutlichen Verbesserung mit einer weiteren kontinuierlichen Verbesserung im Verlaufe der nächsten 4 Wochen. Die meisten Patienten erreichen die maximale Wirksamkeit im Verlaufe von 3 Monaten. Im Einzelfall kann die Wirkung verzögert eintreten, zum Teil erst nach 2-3 Monaten mit einem Wirkmaximum nach 6 Monaten.
Ergebnisse klinischer Studien zeigen, daß die Behandlung mit Etanercept bei den oben aufgeführten Krankheitsbildern eine vielversprechende Therapieoption darstellt. Dies gilt auch für die Langzeittherapie. Die Dauertherapie stützt sich auf Erfahrungen über mehr als eine Million Patientenjahre an 430.000 Patienten mit rheumatischen Erkrankungen. So wurde für die rheumatoide Arthritis (RA) eine anhaltende Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie über Beobachtungszeiträume von bis zu zehn Jahren gezeigt. Für die Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) liegen Daten über bis zu acht und für die ankylosierende Spondylitis (AS) über bis zu vier Jahren vor.
In der Langzeittherapie mit Auswertungszeiträumen über neun Jahre gibt es keine Hinweise auf spezifische Sicherheitsrisiken unter einer Behandlung mit Etanercept. Die häufigste unerwünschte Wirkung ist eine Rötung und ein Juckreiz an der Einstichstelle der Injektion, z. T. auch verbunden mit Schwellungen und Schmerzen an dieser Stelle. Andere Nebenwirkungen, die während der Anwendung von Etanercept auftreten können, umfassen: Kopfschmerzen, Benommenheit, Nasennebenhöhlenentzündungen; Halsschmerzen, verstärktes Husten, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, Schwächegefühl, Benommenheit, Fieber und Blutungsneigung.
Etanercept sollte nicht bei aktiven Infektionen einschließlich chronischen oder lokalisierten Infektionen gegeben werden, außerdem nicht bei Allergien gegen Etanercept oder seine Bestandteile.
Die Behandlung rheumatischer Erkrankungen mit Etanercept sollte nur von Rheumaspezialisten mit entsprechender Erfahrung eingeleitet sowie im Verlauf kontrolliert und überwacht werden.
Weitere Informationen
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